Viele Sportspiele werben mit Realismus. Noch mehr Motion Capture, ein noch besseres Ballgefühl und eine Fahrphysik so realitätsnah wie noch nie – doch wie viel Wahrheit steckt wirklich hinter dem Marketing und wie viel Realismus in Sportspielen ist tatsächlich gut fürs Gameplay?
Wenn Ihr Euch also schon immer einmal gefragt hat, ob FIFA spielen ausreicht, um den FC Bayern zu trainieren oder Ihr Euch nach einigen Ausfahrten in Forza Horizon bereit für die Formel 1 seid, dann findet Ihr hier die Antworten.
11 Freunde sollt Ihr sein – echte Profis in Sportspielen
Serien wie FIFA tun sich oft selbst mit dem jährlichen Release-Zyklus keinen Gefallen. Schließlich fallen Euch so die vielen Veränderungen und Verbesserungen womöglich gar nicht so sehr auf. Dabei hat sich in den letzten Jahren viel getan, vor allem im Bereich der Spielerbewegungen.
Electronic Arts gab sich für FIFA 22 nicht mehr damit zufrieden, die Bewegungen der einzelnen Spieler in Isolation aufzuzeichnen, sondern nutzten ein ganzes Spiel für die Bewegungsaufnahmen. 22 Spieler wurden während des Spiels beobachtet, um nicht nur den Umgang mit dem Ball zu beobachten, sondern auch die Physis und Körpersprache in Spielsituationen, in denen sie weniger beteiligt sind.
Vom Team verlangte das ein höchstes Maß an Präzision und technischer Perfektion. Belohnt wird diese Art Pioniergeist mit einem Realismus, den Ihr bis an die Grundlinie beobachten könnt. Die Spieler verhalten sich nun organischer und das Gesamtresultat wirkt noch weniger wie eine digitale Simulation.
Hinzu kommt natürlich, dass EA bereits einen riesigen Pool an Animationen besitzt und diesen nur noch erweitern muss.
Das gefällt übrigens nicht allen Fans der langlebigen Fußball-Serie. Schließlich bedeuten Änderungen der Ballphysik oder des Trägheitsmomentes der Spieler auch Änderungen im Spielgefühl. Gerade im eSport stößt so etwas sauer auf, wenn mühsam erlernte Mechaniken neu gelernt werden müssen. Doch auch wenn Ihr nicht kompetitiv FIFA spielt, sind vielleicht nicht alle Änderungen unbedingt Euer Ding. Denn mehr Realismus bedeutet natürlich nicht mehr Spielspaß – sonst würde das echte Leben ja am meisten Spaß machen.
Realitätsnah hinter dem Lenker
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Deutlich weniger aufwendig in Sachen Motion Capture sind da Rennspiele und auch beim Rennsport steigt die Realitätsnähe von Generation zu Generation.
Und wenn Euch bei Realismus in Rennspielen zuallererst Games wie Forza Motorsport in den Sinn kommen, dann habt Ihr tatsächlich noch viel Raum nach oben. Sportspiele wie Forza profitieren in Punkto Realismus vor allem von der Kooperation mit den Automarken. Die wollen natürlich, dass Ihre Boliden so genau wie möglich abgebildet werden und so satt wie im echten Leben klingen. Die enge Zusammenarbeit siehst und hörst du vor allem, die Games wirken realitätsnah, wirklich simuliert wird aber nicht. Zugunsten des Spielspaßes natürlich.
Wirklich realistische Autorennspiele findet Ihr etwa in iRacing oder GRID Autosport. Die sind zwar bereits vierzehn bzw. acht Jahre alt und technisch sicherlich etwas in die Jahre gekommen, doch eine aktive Community hält beide Games weiterhin am Leben. Spielspaß ist hier nebensächlich, die Lernkurve steil und der Blick aus dem Cockpit eines Rennboliden doch eher eingeschränkt.
Dafür ist das Fahrverhalten hier brutal realitätsnah und auch kleinere Fehler werden harsch bestraft.
Realismus aus der Welt der Sportwetten – so testet Madden NFL den Superbowl
Realistisch geht es in Spielen nicht nur dann zu, wenn Ihr selbst am Controller seid. Vor allem dann, wenn Spiele als reine Simulation ohne externen Input (also Eure Eingaben an Joypad oder Tastatur) genutzt werden, fallen die Ergebnisse oft dichter an der Realität aus als es vielen lieb wäre.
Ein gutes Beispiel dafür sind die Superbowl-Vorhersagen, die jedes Jahr über Madden NFL gemacht werden.
John Madden NFL ist FIFA für American Football und nutzt eine Vielzahl an Daten und Statistiken, um die Qualitäten der einzelnen Spieler so realitätsnah wie möglich abzubilden. Über Updates können Verletzungen und Formkurven einbezogen werden, so dass jedes Team mehr oder minder dicht an ihrer aktuellen Spielstärke dargestellt wird. Wird ein Aufeinandertreffen beider Teams simuliert, ist das Ergebnis durchaus mit dem echten Spiel vergleichbar. Und um statistische Ausreißer zu minimieren, werden die Spiele einfach mehrfach simuliert.
Madden NFL hat dabei wieder einmal den Superbowl-Sieger akkurat vorhergesagt. Solche Simulationen könnten für Euch auch dann interessant sein, wenn Ihr Euch auch für Sportwetten interessiert. Immer häufiger werden Prognosen auf entsprechenden Plattformen platziert.
In jedem Fall ist diese Form der Simulation mit der Sportsimulation ein gutes Beispiel für den Realismus, der bereits heute in Sportspielen steckt. Aber das funktioniert beim American Football oder Basketball mit den rigiden Spielzügen besser als beim Fußball. Selbst einem Messi verspringt ab und an der Ball.
Mit dem Controller in Bewegung bleiben?
Mit dem frischen Release von Switch Sports soll natürlich auch ein weiterer Aspekt der Nähe zwischen Realität und Spiel nicht außen vor bleiben – die Anstrengung. X für einen Pass zu drücken ist schließlich wesentlich weniger anstrengend als eine Flanke über den halben Platz zu kicken, können Games mit Bewegungssteuerung das besser abbilden?
Switch Sports jedenfalls ist keine Sportsimulation und auch wie der Vorgänger Wii Sports besser dazu geeignet, Non-Gamern mal eben einen Controller auf einer Party in die Hand zu drücken. Bewegungen und Drehungen aus dem Handgelenk werden mit Nintendos Joy Con zwar recht präzise gelesen, aber die Umsetzung in die Kontrolle der Spielfiguren bleibt eine klare Abstraktion.
Viele VR-Games wie Beat Saber sind da bei der Umsetzung der Kontrollen deutlich präziser und bringen Euch in BPM-intensiven Songs richtig ins Schwitzen.
Selbst Nintendo hat aber schon gezeigt, dass Gameplay und echte Sporterfahrung sich gut kombinieren lassen: Ring Fit Adventure hat mit einem Widerstandsband und einer Neigungsmessung im Bein zumindest Ansätze eines Personal Coaches auf die Konsole gezaubert.
Eine echte Schnittstelle zwischen intensivem und abwechslungsreichem Workout mit einem vollwertigen Spiel gibt es aber derzeit noch nicht.
Immersive Erfahrungen dank mehr Nähe zur Realität
Realismus in Sportspielen geht weit über das Gameplay hinaus. Grafik und Sound spielen eine Schlüsselrolle und dank der Current Gen und immer besserer PC-Hardware kommt jede Generation Sportspiel dem echten Sport ein bisschen näher. Das zeigte bereits vor Jahren ein Streamer, der ein UFC-Match mit Controller in der Hand streamte – dass er kein Spiel spielte, sondern Pay-TV lief, fiel während des Streams niemandem auf.
Besonders mit etwas Abstand zum Spielgeschehen oder dem Fokus auf Rennwagen sind die Unterschiede zu einer TV-Übertragung inzwischen verschwindend gering. Besonders die FIFA-Serie, Madden NFL oder NBA 2K können hier punkten und schaffen Realismus beginnend bei einer ausgewogenen Ballphysik bis hin zum Schweiß auf der Stirn der Spieler. Auch die Akustik stimmt dank der Aufnahmen in Hallen oder Stadien und schafft so eine umfassende Atmosphäre für Fans des Sports. Dank Motion Capture und flüssiger Performance entstehen so technisch beeindruckende Meilensteine, die von Jahr zu Jahr realistischer aussehen.
Mit grafischem Bombast punkten auch Forza Horizon oder die F1-Serie, zumal der Lack der Rennwagen noch einmal leichter zu simulieren ist als menschliche Hautporen. Das sorgt für beeindruckende Bilder gepaart mit einem realistischen Fahrgefühl.
Simulation, Realität und Gameplay
Letztlich ist es aber genau jenes realistische Gefühl, das stimmen muss. Schließlich wollen selbst hartgesottene Fans von Renn- und Sportsimulationen keinen puren ungefilterten Realismus, sondern das realistische Gefühl.
Ein Kick bei FIFA oder PES soll sich realistisch anfühlen, die Reifen eines Ferrari sollen sachte um die Kurve driften wie Ihr Euch das vorstellt. Mit Realismus hat das freilich wenig zu tun. Aber darum geht es auch nicht, Gameplay ist immer eine Abstraktion. Und wie sehr Ihr Euch in eine Grätsche werft oder beim Freiwurf das Handgelenk abknickt, ist nicht entscheidend. Sportspiele sind Games und die müssen Spielbar bleiben – etwas Abstraktion gehört da immer dazu.