„Never change a winning team“ weiß der Volksmund. So kommt es, dass wir in der Filmbranche schon hunderte Male eine Storyline wie „Unscheinbarer Charakter wird Held wider Willen und rettet den Tag“ gesehen haben – und viele andere Beispiele dazu.
Allerdings sind solche übergreifenden Themen, die nur mit einer jeweils veränderten Story gefüllt werden und sich deshalb immer wieder (relativ) neu und frisch anfühlen, definitiv kein alleiniges Phänomen Hollywoods. Im Gegenteil, auch die Gaming-Branche fährt mit diesem Grundsatz seit Jahrzehnten Erfolg um Erfolg ein. Und sind wir mal ehrlich: Wenn das zu Langeweile führen würde, wären Spiele bei Weitem nicht so extrem erfolgreich, wie sie es aktuell sind.
Doch zu welchen Mitteln greifen denn die Entwickler besonders gern? Wir zeigen es jetzt. Übrigens sei darauf hingewiesen, dass die folgenden Themen zwar hochbeliebt sind, aber teilweise gerade deswegen immer wieder diskutiert werden – ganz ähnlich, wie es auch in Hollywood der Fall ist, ohne den allgemeinen Erfolg solcher „Tropes“ zu schmälern.
- Auslöser: Gedächtnisverlust
S.T.A.L.K.E.R. Shadow of Cherbobyl ist eines von vielen Beispielen dafür, dass man mit einem Hauptcharakter, der sich an gar nichts mehr erinnern kann, was vor der Storyline stattfand, verdammt gute Geschichten aufziehen kann.
Typischerweise läuft ein derart aufgebautes Spiel so ab, dass wir ein irgendwie geartetes „Aufwachen“ erleben; etwa nach einem Unfall. Das ist sogar medizinisch vollkommen in Ordnung, weil es viele Auslöser für Amnesie gibt – so der Fachbegriff für Gedächtnisverlust. Über weite Teile der Story versucht der Charakter und somit auch der Spieler, die Mosaiksteinchen zusammenzusuchen und zu -setzen, woraus sich wiederum die gesamte Geschichte aufbaut.
Das mag vielleicht manchem abgeschmackt erscheinen, aber spielerisch hat es einen grandiosen Vorteil: Dadurch, dass der Charakter nichts weiß, gibt es keine Identifikationsfigur, die einen Wissensvorsprung gegenüber den Spielern hat. So, wie sich der Hauptcharakter alles erarbeiten muss, erfahren wir am Bildschirm mit ihm zusammen, worum es wirklich geht.
- Alte Kulturen und Historisches
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Assassinen zwischen Drittem Kreuzzug, Renaissance, Piraten-Ära und US-Revolutionskrieg – die Assassins Creed Reihe. Wohl kaum eine andere Spielereihe der jüngeren Zeit zeigt so überdeutlich, wie faszinierend es sein kann, das gesamte Spielgeschehen in „eine Zeit weit vor unserer Zeit“ zu verlagern.
Tatsächlich ist dieses Thema sogar eines, das sich ausnehmend gut in verschiedenen Genres unterbringen lässt. Das alte Ägypten ist aus mehreren Gründen ein extrem beliebtes Thema bei diversen Online-Glücksspielen und natürlich sind solche Kulturen und historische Gegebenheiten immer wieder Ausgangspunkt bei Aufbausimulationen. Selbst das zeitgenössische Chivalry 2 steckt bekanntlich bis zum Kettenhemd im Mittelalter. Kein Wunder also, dass wir es hier zudem mit einem der ältesten Themen überhaupt zu tun haben. Die Gründe sind schnell erzählt.
- Selbst wenn wir nur auf den modernen Menschen abheben, sprechen wir von gut und gerne 12.000 Jahren zur Verfügung stehenden Zeiträumen und in die Hunderte gehenden Zahlen von wenigstens halbwegs bekannten Kulturen.
- Die Vergangenheit ist voll von zahllosen buchstäblich weltbewegenden und auf dem ganzen Globus bekannten Gegebenheiten und Personen, die sich integrieren lassen. Gut nicht zuletzt für eine globale Vermarktung der Games.
Obendrein erlaubt die Vergangenheit sehr viele Freiheiten. Schlicht, weil außer den wirklich weltbewegenden Vorgängen nur wenig bekannt ist. Das erlaubt sehr viel Kreativität für die weitere Story, für Gegenstände, Techniken und vieles mehr, ohne jedoch ins Unrealistische (siehe Kapitel 5) abzudriften.
- Verraten und verkauft
Es gibt wohl nur wenige Gefühle, die jemanden so sehr treffen können wie die Erkenntnis, von einer nahestehenden Person verraten und verkauft worden zu sein. Und Emotionen sind wiederum etwas, was jeden Spieler zum Handeln bringt und ein Spiel vergnüglicher macht.
(ACHTUNG, SPOILER BIS ZUM KAPITELENDE)
Egal ob es nun Big Smoke aus GTA: San Andreas ist, General Shepherd aus CoD MW2 oder einer der anderen berühmten Verräter der Spielegeschichte: Wenn sowas dem Spieler und seinem Charakter angetan wird, kochen die Emotionen hoch.
Einerseits sorgt dies dafür, dass dem Spiel eine überraschende Wende gegeben wird. Solche Wendungen wiederum machen die Story viel interessanter, weil sie keine lineare Langeweile aufkommen lassen. Andererseits bietet der Verrat speziell bei Action-lastigen Games eine hervorragende Grundlage, um die weitere oder sogar ganze Story aufzubauen – und einen Grund, es dem Verräter möglichst feuergewaltig heimzuzahlen.
- Die Zukunft
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Egal ob nur im nächsten Jahrzehnt wie bei Metro 2033 oder gleich mehrere zehntausend Jahre voraus wie bei sämtlichen Spielen aus dem Warhammer 40k Universum: Die Zukunft bietet ein noch besseres Terrain zur Spielegestaltung als es die Vergangenheit tut.
Dafür gibt es einen simplen Grund: Kaum ein anderes Thema, Fantasy einmal völlig außenvorgelassen, bietet ein dermaßen riesiges Feld, um sich kreativ zu betätigen. Die Zukunft steht noch nicht fest, also haben die Entwickler wirklich keinerlei Einschränkungen, um sich auszutoben. Dieses Geheimrezept steht auch hinter der generellen Beliebtheit von Science-Fiction als Genre; nicht nur im Gaming.
Egal ob politische Entwicklungen, gesellschaftliche, technische – in der Zukunft ist alles erlaubt, was halbwegs plausibel klingt. Das allerdings ist auch der Grund dafür, warum manche dieses Thema nicht sonderlich mögen und andere es mit Vorsicht genießen: Irgendwelche zukünftigen Ereignisse, Techniken et cetera kann jeder zusammenfantasieren. Doch nur wenige können das so präzise tun, dass es, zumindest innerhalb eines Spiels, stichhaltig wirkt.
- Was wäre wenn…?
Dieses Thema ist der Punkt, an dem die beiden Komplexe Historisches und Zukunft sich überschneiden. Man nehme eine bekannte Vergangenheit, schneidere aber die Story so zurecht, dass sie maßgebliche Motive bei der Zukunft nimmt.
In der Praxis zeigt sich dies so, dass die Entwickler die Story an einem bekannten Punkt in der Vergangenheit beginnen lassen; immer wieder beliebt sind große Kriege. Dann jedoch (dazu müssen stichhaltige Gründe geliefert werden) weicht die Timeline des Spiels von der unserer Realität ab.
Hier wird es dann spannend. Wir bewegen uns zwar auf bekanntem historischen Terrain, bekommen jedoch trotzdem eine Geschichte präsentiert, die niemand kennen kann, der das Spiel nicht spielt. Es mag mittlerweile beispielsweise schwer sein, ein gutes Spiel anhand nachweisbarer Ereignisse im 2. Weltkrieg aufzubauen – einfach, weil so viele Spiele in diesem Zeitraum angesiedelt sind. Wenn aber plötzlich das Setting so aussieht, dass die Deutschen den Krieg gewinnen könnten oder es getan haben, besteht eine völlig andere Motivation auch für Genre-fremde Spieler, in die Story einzutauchen.
Abermals steht hierhinter ein generell sehr beliebtes Thema. Zudem eines, bei dem kleinste Änderungen an der realen Geschichte weitreichende Veränderungen nach sich ziehen können – theoretisch.
- Irgendwie doch verletzliche Superhelden
Es gehört zu einer riesigen Bandbreite von Spielen, dass der Hauptcharakter als etwas ganz Besonderes dargestellt wird. Jemand, dessen Fähigkeiten weit über diejenigen normaler Menschen hinausgehen. Das kann ein klassischer Superheld sein, kann aber auch auf anderen Wegen in die Story integriert werden – nehmen wir beispielsweise John 117 aus der Halo-Reihe. Der ist nicht nur durch diverse chirurgische Veränderungen ein Super-Soldat, sondern trägt außerdem noch sein Mjölnir-Exoskelett samt Schutzschild.
Eigentlich sollte man also meinen, dass ein solcher Charakter über seine Gegner bügeln würde wie eine Dampfwalze. Tut er aber meistens nicht, sondern ist sogar ausnehmend verletzlich (für manche Spieler sogar viel zu verletzlich).
Der Grund dafür ist, dass die Entwickler hier in einer Zwickmühle stecken:
- Einerseits geben solche spielbaren Superhelden der Geschichte eine gehörige Portion Würze;
- Andererseits würden echte Superfähigkeiten das Spiel gähnend langweilig machen, weil der Spieler quasi andauernd im unbesiegbaren God-Mode unterwegs wäre.
Dementsprechend gibt es in diesem Thema immer einen Kunstgriff, der die Schwächen des Superhelden plausibler macht. Beispielsweise Gegner, die kein normaler Mensch besiegen könnte oder gewisse Schwachstellen, die den Helden sogar noch verletzlicher machen als einen normalen Menschen.
- Der Bösewicht sind wir selbst
Viele Games sind nach einem klassischen Gut-Böse-Schema aufgebaut. Und natürlich genießen es die meisten Spieler, sich in die Rolle des guten Helden zu begeben, der den Tag rettet (oder was auch immer das Ziel des Spiels ist).
(ACHTUNG, SPOILER BIS ZUM KAPITELENDE)
Doch zumindest was das Ende der Story anbelangt, genießen manche Spieleentwickler es richtiggehend, den Gamern den größtmöglichen Überraschungskuchen zu servieren. Denken wir an den Protagonisten Booker des gefeierten BioShock: Infinite. Erstens handelt es sich bei dem Spiel um ein hervorragendes Beispiel für eine Story nach dem „Was wäre wenn…“-Rezept.
Zweitens jedoch glauben wir nur, dass Booker die ganze Zeit Zachary Comstock bekämpft – nur um am Ende festzustellen, dass Booker eine jüngere Ausgabe von Comstock ist. Der Hauptcharakter selbst ist also der Bösewicht, ohne dass der Spieler es weiß.
Dabei haben wir BioShock bewusst als Beispiel gewählt, um die Risiken dieses Themas aufzuzeigen. Viele Spieler fanden nämlich, dass diese Überraschung gnadenlos schlecht gewählt gewesen sei. Tatsächlich hat diese fulminante Wandlung deshalb aktuell einen etwas schlechten Ruf bei Spielemachern und wird kaum verwendet.