Live-Streaming, herkömmliches Streamen von User-generated Content und das Anschauen von professionellen On-Demand-Angeboten sind gerade dabei, sich speziell bei einer jüngeren Zielgruppe zur wichtigsten Form des Medienkonsums überhaupt zu entwickeln. Bei den Menschen bis 29 hat Streaming schon 2020 das lineare Fernsehen überholt – und seitdem weit hinter sich gelassen.
Klar, Streaming ist zuallererst einmal unterhaltsam. Allerdings ist das beileibe nicht der einzige Grund, warum Twitch, TikTok, YouTube und Konsorten einfach genial sind. Es sind vielmehr verschiedene Gründe. Zusammen ergeben sie etwas, gegen das kein Linearfernsehen und ebenso kein anderes klassisches Medium wirklich ankommt – und gegen das selbst die professionellen Film- und Serienstreamer oftmals verlieren. Wir haben uns dem Thema angenähert und geschaut, warum User-generated Streaming einfach besser ist.
1. Es gibt zu wirklich jedem noch so nischenartigen Thema einen Stream
World of Warcraft wurde veröffentlicht, als so mancher Leser dieser Worte vielleicht bestenfalls in der Grundschule saß – sofern er überhaupt schon geboren war. Dennoch liegt das 2004 releaste Spiel auf den vorderen Rängen der meistgeschauten Spiele bei Twitch – wohlgemerkt brandaktuell im Juli 2023!
Es gibt viele solcher Beispiele. Und sie gehen meilenweit über das Thema Gaming hinaus. Egal ob es Leute sind, die mit uralten Traktoren einfach nur einen Acker pflügen, andere Leute, die jahrzehntealte Militärrationen mit Begeisterung verputzen oder Hautärzte, die gleich reihenweise Mitesser entfernen – und so ziemlich alles dazwischen: Heutzutage dürfte es kein Thema mehr geben, zu dem nicht wenigstens ein bisschen streambarer Content vorhanden ist.
Das macht es leicht, sich perfekt zu Interessen, Stimmung und anderen höchstpersönlichen Merkmalen perfekte Unterhaltung zurechtzuschneidern. Dinge, die einfach nicht genügend Zielgruppenmitglieder haben, um selbst für einen Spartensender interessant zu sein – aber im Netz problemlos funktionieren.
2. Viele Streamer sind die besten Lehrer überhaupt
Was haben Makro- und Micromanagement in einem Erfolgsspiel wie Diablo IV mit Sportwetten gemeinsam, außer dass man auf einigen Plattformen auf eSports wetten kann? Ganz einfach: Es handelt sich um Themengebiete, in denen es extrem viel zu lernen gibt, bis man erfolgreich ist.
Nehmen wir die Sportwetten: Da ist es nur eine Basis, die großen Player in der Szene zu kennen. Weiter muss man sich mit Wettarten und deren Regeln auskennen. Muss Quoten verstehen, muss eine ganze Menge Mathematik beachten. Als Anfänger ist man deshalb oft schneller Geld los, als einem lieb ist.
Hier kommt eine weitere Tatsache ins Spiel: Hobby-Leidenschaft bringt Menschen oft dazu, sich tiefer in ein Thema einzuarbeiten als so mancher berufsmäßige Profi es tut – zumal es für manche Dinge schlicht keine Profis gibt. Als Streamer sind solche Menschen deshalb nicht nur herausragende, sondern oftmals die einzigen greifbaren Lehrer überhaupt; wenigstens zu manchen Themen.
Ein weiterer Effekt: Viele Streamer verstehen es sehr gut, auf Augenhöhe mit ihren Zuschauern bzw. Abonnenten zu sprechen – einfach, weil sie selbst wissen, wie schwierig manches zu verstehen ist. Im Gegensatz zu beispielsweise einigen Lehrern, die sogar eine einfache Thematik überkompliziert erläutern, bis niemand sie versteht, sieht es bei vielen Streamern exakt anders aus. Wenngleich natürlich Ausnahmen die Regel bestätigen.
3. Die meisten Streams und Plattformen sind für Zuschauer kostenlos
Wer unterhalten werden will, muss bei vielen professionellen Herangehensweisen ordentlich Geld ausgeben:
- Bis auf Menschen, die BAföG oder Ausbildungsbeihilfe beziehen, muss praktisch jeder die Rundfunkgebühr entrichten. Macht 18,36 Euro monatlich – obwohl gerade junge Menschen kaum öffentlich-rechtliches TV schauen.
- Kabelfernsehen kostet monatlich ebenso Geld wie es viele Sender im Satelliten-TV und bei DVB-T2 tun.
- Zwischen Amazon Prime, Netflix und Disney+ kosten die großen On-Demand-Anbieter ebenfalls Geld. Manche verlangen noch zusätzliche Kosten für einzelne Medien.
Unterm Strich: Dabei kommt schnell eine ziemliche Summe zusammen. Dagegen User-generated Streaming: YouTube, Twitch, Kick, TikTok – egal welche Plattform man heranzieht. Sie alle sind wenigstens für Zuschauer weitgehend kostenlos. Die einzige „Störung“ sind Werbespots. Aber selbst die sind nicht ansatzweise so zahlreich und zeitverschlingend wie im typischen linearen (Privat-)Fernsehen.
Zugegeben, wer kostenlos professionelle Filme und Serien schauen möchte, ist beim User-generated Streaming falsch. Und dass manche bekannten Streamer in ihrer Eigenschaft als Influencer ziemliche Dauerwerbesendungen veröffentlichen, ist ebenfalls bekannt. In der Summe gibt es derzeit jedoch keine andere Möglichkeit, zu so geringen Kosten so viel Entertainment zu erhalten.
4. Es gibt unter den Streamern sehr unterhaltsame „Originale“
Wer im professionellen Fernsehen, Film oder in einer solchen Serie zu sehen ist (respektive es ins Radio schafft), der ist in jeder Hinsicht ein Profi. Nehmen wir einen TV-Moderator oder -Showmaster.
- Der hat eine langjährige Ausbildung hinter sich, in der er unter anderem mediengerechtes Sprechen lernte.
- Er wurde aus zahlreichen Kandidaten gecastet.
- Er sagt und macht nur das, was der Sender ihm vorgibt bzw. in einem engen Rahmen erlaubt.
- Obendrein wird er für jede Sendung umfassend von Experten gestylt – meistens ebenfalls so, wie es der Sender vorgibt.
Unterm Strich: Solche Unterhaltungsprofis haben mit der Masse ihrer Zuschauer so viel gemeinsam wie eine Playstation 5 mit einem NES – beides sind Spielekonsolen, das war es aber auch.
Nun merkt man manchen Streams und Streamern wirklich an, dass es keine Profis sind – in negativer Hinsicht. Generell haben diese Menschen jedoch eines für sich: Da sie keine Professionellen sind, geben sie sich einfach viel mehr wie ihre Zuschauer und sind daher für die meisten viel sympathischer, da „näher dran“.
Natürlich werden sie mit den Jahren erfahrener. Aber selbst ein seit langer Zeit erfolgreicher Streamer wie etwa Trymacs klingt nach wie vor (in positiver Hinsicht) wie ein leidenschaftlicher Gamer; nicht wie ein Moderator, der heute Fortnite und morgen „Promis tanzen sich im Wüstencamp aus den Schulden“ moderiert, für den das Gaming also nur ein Job unter vielen ist.
Mehr noch: Weil die meisten Streamer ihre eigenen Produzenten sind, schaffen es hier Leute auf den Bildschirm, die in irgendeiner Hinsicht ein „Original“ sind, das in der stromlinienförmigen professionellen Medienlandschaft niemals eine Chance hätte. Damit einher geht ein weiterer Grund pro Streaming:
5. Beim Streaming hat jeder eine Chance
Es gibt neben dem Eröffnen eines Accounts bei einer Social-Media-Plattform nur weniges, was so einfach ist, wie zum Streamer zu werden: Account, Streaming-Software, vielleicht noch ein Stativ fürs Handy und es kann losgehen.
Das alles macht Streaming auf der Produktionsseite nicht weniger einfach und zugänglich, wie es auf der Zuschauerseite ist. Das hat gleich mehrere positive Folgen:
- Es werden viele Menschen motiviert, die vielleicht keine großen Mittel haben, aber in denen ein enormes Talent als Unterhalter schlummert.
- Die Vielfalt für die Zuschauer steigt. Das gilt sowohl in menschlicher als auch thematischer Hinsicht.
- Unterhaltungsmedien werden deutlich demokratischer. Denn beim Streaming zählen keine knallharten Zahlen wie Einschaltquoten, ob jemand weitermacht.
Zugegeben, selbst ein sehr beliebter Streamer kann von heute auf morgen entscheiden, seine Tätigkeit an den Nagel zu hängen und ist dafür niemandem Rechenschaft schuldig. So machte es etwa vor einigen Wochen der erfolgreiche Outdoor-YouTuber Kai „Sacki“ Sackmann (194.000 Abonnenten). Er erklärte einfach, das nächste Kapitel in seinem Leben ohne Zuschauer schreiben zu wollen.
Doch gerade dieser YouTuber beweist, wie basisdemokratisch User-generated Content jedem eine Chance gibt. Denn in der Hauptsache zeigte Sacki sich bei Wander- und ähnlichen Touren und machte eine Menge thematisch passender Erklärvideos. Keine Action, kein Drama, „nur“ ein authentischer Freund der Natur.
6. Streaming funktioniert in beide Richtungen
Hat man als Zuschauer beim Fernsehen eine reelle Chance, Kritik und Lob anzubringen und damit etwas zu erreichen? Wahrscheinlich nicht, weil die allermeisten Anmerkungen niemals über das Social-Media-Team hinausgelangen – sofern sie überhaupt gelesen werden.
Bei den großen On-Demand-Streamern mit ihren Hochglanzproduktionen ist es ähnlich. Dort hat man aber wenigstens noch die Option, mit der Zuschauermasse zusammen einen Film oder eine Serie durch Votes zu markieren.
Dagegen einmal mehr User-generated Streaming. Egal ob im Livestream oder hinterher: Es besteht nicht nur eine riesige Chance, dass der Streamer bestimmte Kommentare vernimmt, sondern darauf antwortet – und vielleicht sogar handelt. Nirgendwo sonst ist der Kontakt zwischen Medienmachern und Medienkonsumenten so dicht wie hier. Und das Beste daran: Alles kann, nichts muss. Ebenso darf man hier einfach nur entspannt konsumieren. Nur das Programm aussuchen, das muss jeder selbst.